Beispiel "Stuttgart S21":
Das Projekt "Stuttgart S21" wurde 1994 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die
Bauarbeiten begannen im Februar 2010. Die Fertigstellung
war für Dezember 2019 geplant, wurde aber mehrmals verschoben. Die Eröffnung des
neuen Hauptbahnhofs soll nun 2026 oder 2027
erfolgen. Von ursprünglich 2,5 Milliarden Euro
sind die Kostenschätzungen inzwischen auf über 11
Milliarden Euro gestiegen.
Das Projekt "Stuttgart S21" wurde bekanntlich am 18. April 1994 in Stuttgart
von fünf Schwaben aus der Taufe gehoben (Ministerpräsident Erwin Teufel, die
Verkehrsminister Matthias Wissmann (Bund) und Hermann Schaufler (Land), der
Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel sowie Bahnchef Heinz Dürr). Man
vereinbarte, den Kopfbahnhof der Landeshauptstadt eine Etage tiefer zu legen und
dadurch 80 Hektar Land nutzbar zu machen: Der Bahnhof soll unter der Erde
verschwinden; die frei werdenden Grundstücke wollte man verkaufen und dadurch
den grössten Teil der Kosten für die Tieferlegung des Bahnhofs decken.
Mit diesem Entscheid wurde in
Stuttgart jegliche Kreativität und Suche nach besseren Lösungen und Alternativen
verhindert. Da die die Legislative die Fehler der Exekutive nicht rechtzeitig
korrigieren konnte, nahmen die Dinge im Projekt Stuttgart S21 ihren Lauf und
führen nun zu Mehrkosten in Milliardenhöhe. Die Bahn leistet sich eine
gigantische technische Fehlplanung (langsamer Nah- und schneller Fernverkehr auf
einer reduzierten Anzahl von Tunnels und Geleisen) mit enormen, unüberschaubaren
operationellen und sicherheitstechnischen Risiken für Bahn und Land. Eine
Kombination von oberirdischem Nahverkehr mit einer unterirdischen
Durchmesserlinie (vergl. Hauptbahnhof CH-Zürich) wurde nicht in Betracht
gezogen.
Das eigentliche Kernproblem im Projekt Stuttgart S21 war
die damalige Auftragserteilung, indem fatalerweise eine Lösung vorgegeben wurde
und nicht ein lösungs-neutrales Projekt-Ziel. Ferner hätte man ein
starkes Projekt-Management implementieren müssen, damit das Projekt nicht zum Spielball von
Bahn, Bund und Land wird. Auch eine rollende Planung, wo man irgendwo mit
der Planung beginnt, dann ständig ändert und das Ziel sucht, wäre ebenfalls nicht
zulässig gewesen.
Aktuelles im 2024:
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Dass die Kosten für den Durchgangsbahnhof
Stuttgart 21 explodiert sind, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Dass die
Politik auf dem Tieferlegen der Gleise bestand und die Mehrkosten auf die hoch
verschuldete Bahn abwälzen will und dafür vor Gericht auch noch Recht bekommt,
erleichtert die Situation jetzt auch nicht gerade.
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Stuttgart will bekanntlich auf dem
Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs ein neues Viertel gründen mit
109 Hektar für Wohnungen, Gewerbe, Kultur. Das Stuttgart
S21-Chaos verzögert jedoch das Projekt „Rosenstein-Quartier“ gewaltig.
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Die DB
hat sich sehr viel vorgenommen mit der Einführung der digitalen
Technik, hat aber infolge ungenügender Anzahl von Gleisen und unterschiedlichen
Geschwindigkeiten von regionalen und nationalen Zügen kaum noch Alternativen.
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Stuttgart und die DB
sollten einen
lösungsorientierter Kompromiss anstreben, um das Projekt zeitnah doch
noch zu einem funktionierenden Abschluss bringen zu können:
Um den wichtigen Verkehrsknoten in Stuttgart noch vor dem
Verkehrs-Kollaps/-Infarkt retten zu können, müsste man die
Durchmesserlinie im Untergrund umgehend fertigstellen und gleichzeitig den
oberirdischen Hauptbahnhof mit einem redimensionierten Gleisvorfeld belassen.
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Eine seit Ende 2023
vorgenommene Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) verhindert
nun den Rückbau von Bahnflächen; sie
können nur noch in Ausnahmefällen entwidmet werden. Damit will man
verhindern, dass eine Reaktivierung alter Bahntrassen wie im Falle der
Verbindung von Calw nach Stuttgart unmöglich wird, weil auf der Trasse Straßen
oder Gebäude errichtet wurden.
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Notwendigkeit, Inhalt und die Bedeutung / Tragweite eines
Kompromisses könnte mit einer Risikoanalyse
ermittelt werden.
Kritik aus der
Sichtweise eines professionellen Projekt-Managements:
Bei
Projekten der Öffentlichen Hand werden
fatalerweise
oft (Lieblings-)Lösungen vorgegeben anstelle lösungs-neutraler
Projekt-Ziele. Damit wird jegliche Kreativität und Suche nach besseren Lösungen
und Alternativen bewusst verhindert.
Einzelaktivitäten im Projekt lassen sich nur mit
einem einheitlichen Zielverständnis aller Beteiligten koordinieren. Wenn das Ziel nicht definiert
und auch nicht dokumentiert wurde, kann kein einheitliches Zielverständnis erreicht werden.
Projekte ohne einheitliches Zielverständnis können meist nicht oder nicht
wie erhofft erfolgreich umgesetzt werden.
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